Ich bitte euch deshalb, seid wachsam mit weitem und sehnsüchtigem Herzen.
Angela Merici
Die Epoche, in der die hl. Angela Merici lebte, war voller Unruhe und brachte viele gesellschaftliche, politische und kulturelle Veränderungen mit sich. Auch die Kirche befand sich in dieser Zeit in einer tiefen Krise. Angela erlebte den Krieg, seine materiellen und seelischen Folgen – menschliches Leid, Migration, Unsicherheit, politische Konflikte und Sittenverfall. Sie war eine exzellente Beobachterin; sie verstand es, die Gefahren ihrer Zeit zu erkennen und war darum bemüht, ihnen durch die Rettung und Erziehung von Kindern, Mädchen und jungen Frauen entgegenzuwirken.
Die Idee der Gemeinschaft der hl. Ursula war einfach: Gott geweihte Frauen, die in ihren Familien verblieben und sich Hilfswerken für Bedürftige und Mittellose, der Erziehung und Bildung widmeten, sollten vor allem Mädchen, die – vor allem wenn sie aus armen Familien kamen – keinen Zugang zu Schulbildung hatten, helfen und so zur moralischen Erneuerung der Gesellschaft und der Kirche beitragen. Das war eine doppelte Neuerung, denn bisher beschäftigte man sich nicht mit der Bildung von Mädchen, vor allem aus armen Familien, und außerdem fand Gott geweihtes Leben damals eigentlich nur in geschlossenen Klöstern statt. Die hl. Angela aber schickte ihre geistlichen Töchter ins Volk, damit sie nicht nur mit ihrem Wissen, sondern auch durch das Beispiel des eigenen Lebens wirken konnten.
Die hl. Angela verstand es, die Zeichen der Zeit zu erkennen und wirksam auf sie zu antworten.
Sie hat ihren geistigen Töchtern, den Ursulinen, damit ein dynamisches Charisma gegeben, dass immer dazu aufruft, in der jeweiligen Epoche und der jeweiligen Situation nach dessen Aktualität zu fragen.
Ursuline zu sein, bedeutet also „unterwegs“ zu sein. Damit ist nicht nur Flexibilität im ursulinischen Alltag gemeint, sondern auch – in erster Linie – Christus nachzufolgen und die Ideen der Gründerin in der Gegenwart umzusetzen. Das bedeutet für jede Ursuline persönlich und für die Gemeinschaft als Ganzes, sich immer zu fragen: Was will Er von mir, von der Gemeinschaft HEUTE, hier und jetzt.
Das Evangelium und die Schriften der hl. Angela dienen dabei als Wegweiser durch unser Leben. Der Heilige Geist wiederum hilft uns zu erkennen, wie das ursulinische Charisma, das sich seit bald 500 Jahren in der Welt entwickelt und verbreitet, heute, im 21. Jahrhundert, und hier in Königstein, im Rhein-Main-Gebiet, umgesetzt werden soll…
Die wichtigsten Eigenschaften des ursulinischen Charismas sind:
Die heutige Gesellschaft möchte am Beispiel eurer Ordensfamilien sehen, wieviel Harmonie zwischen Menschlichem und Göttlichem, zwischen «dem Sichbaren und dem Unsichtbarem» (vgl. 2 Kor 4,18) besteht und inwieweit das zweite das erste überragt, wobei es diese sichtbaren Dinge aber niemals abwertet oder demütigt, sondern sie in Übereinstimmung mit dem ewigen Heilsplan mit Leben erfüllt und erhebt. Gebet und Arbeit, Aktion und Kontemplation – das sind Wortpaare, die in Christus niemals zu antithetischen Gegensätzen werden, sondern in gegenseitiger Ergänzung und fruchtbarer Durchdringung reifen.
Papst Johannes Paul II. in einer Ansprache vor Generalobere der Ordensgemeinschaften, 26.11.1980